Buttforde, St. Marien

Orgel von Joachim Richborn (1681)

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In der aus dem 13. Jahrhundert stammenden Feldsteinkirche St. Marien in Buttforde steht bis heute ein fast original erhaltenes Orgelwerk von Joachim Richborn aus dem Jahr 1681. Bei einer gründlichen Reparatur durch Alfred Führer 1949 wird die originale Trompete 8 durch eine neue ersetzt und die Spielmechanik umgebaut. Hendrik Ahrend restauriert die Orgel 2011/2012 umfassend und rekonstruiert dabei die Trompete, die Spieltraktur und die Balganlage. Mit ihrer wiederhergestellten mitteltönigen Stimmung erstrahlt das Instrument seither wieder in altem Glanz.


Anm.:
originale Schreibweise der Register in der Einheit Fuß (’).
Anzahl der Pfeifenreihen gemischter Stimmen: z. B. 3fach (3f.).

Disposition:

(9 / I/angeh. Ped.)

Manual

Technische Angaben:

 

Principal

Gedact

Octav

Floit

Nassat

Octav

Sexquialt.

Mixtur

Trommet

8

8

4

4

3

2

2f.

5f.

8

 

o (P)

o #

o

o #*

o **

o

o °

o/r °°

+

Manualumfang:

Pedalumfang:

Winddruck:

Tonhöhe:

Stimmung:

Windladen:

3 Keilbälge:

Tremulant:

Calcant:

CDEFGA – c'''

CDEFGA – d' (angehängt)

73mmWS

a' = 473 Hz bei 19 °C (5/8Ton über a' = 440 Hz)

mitteltönig

o

r

r

r

 


Pfeifenwerk:

 

(P)

#

*

**

°

°°

o

+

r

=

=

=

=

=

=

=

=

=

Principal 8

Gedact 8’, Floit 4’

Floit 4’

Nassat 3’

Sexquialt. 2fach

Mixtur 5fach


1681

1947

2012

Prospekt

zugelötet

gedackt

konisch (kegelförmig) offen

C: 13/511/3, c°: 22/313/5

C: 11/3, c': 2, f': 22/3, c'': 4


Joachim
Richborn (original)

nach dem Bericht von Rudolf von Beckerath

Hendrik Ahrend (rekonstruiert)


Bau-/Restaurierungsgeschichte

1681

Joachim Richborn (Hamburg) erbaut die (erste) Orgel für 400 rthl. (Reichstaler) auf einer hölzernen Empore über dem steinernen Lettner (einer architektonischen Abtrennung in der Kirche), nachdem der Pastor Johannes Conerus und der Kirchverwalter Cord Hinrichs am 18. November 1680 mit ihm „den Contract eines Orgelß auffgerichtet haben“.

 

 

1691

Die Orgel und die Emporenbrüstung werden „illuminiret“ (farblich gefasst) – einschließlich der beiden seitlichen, heute noch vorhandenen Ohren („Flügel“). Diese werden vermutlich kurz vorher angebracht und haben Stifterinschriften (Familieninschriften, Namen) auf ihren Rückseiten. Für die vorgesehenen Flügeltüren fehlt der Platz.

 

 

1704

Joachim Kayser (Jever) „renovirt“ die Orgel für 21 rthl., macht dabei die Registerzüge gängig und dichtet Bälge und Windkanäle ab.

 

 

1710/11

Die Windlade muss wiederum „aufgeschroben“ werden, weil ein Register sich nicht ziehen lassen will. Außer den drei Bälgen und dem Windkanal müssen auch der Tremulant und die hölzernen Trompetenstiefel repariert und abgedichtet werden. Angenommen werden die Arbeiten zunächst durch Johan Lübben (Jever), übernommen und dann zu Ende geführt durch Gerhard v. Holy (Aurich, Esens) für insgesamt 38 rthl.

 

 

1727

Die Bälge mitsamt dem Kanal werden von dem Zimmermann Wessels Hanß Hinrich mit wenig Leder belegt und geleimt.

 

 

1749

Johann Friedrich Constabel und Johann Caspar Struve (Wittmund) reparieren die Orgel für 281/2 rthl. Dabei werden wieder die Bälge und Trompetenstiefel abgedichtet, ein neuer Tremulant angefertigt, das ganze Pfeifenwerk gereinigt, repariert und „mit Fleiß temperirt gestimmet, so dass man aus alle ordinari Thonen ohne ledirung des Gehörs selbiges spielen kan“. Außerdem werden die Prospektpfeifen mit Folie belegt.

 

 

1787

Eine Reparatur der Orgel ist laut Visitationsbericht „höchst nötig“.

 

 

1801

Gerhard Janssen Schmid (Leer/Oldenburg) „renoviret“ und „repariret“ die Orgel für 721/2 rthl. Dabei werden die Bälge neu beledert, die Untertasten mit weißen Knochen belegt, das Pedal erneuert, die Prospektpfeifen mit guter englischer Folie belegt und das Pfeifenwerk repariert und nun wohltemperiert, bzw. gleichschwebend gestimmt, „um ohne Verletzung des Gehörs auss allen 24 Tönen frey spielen zu können“. Der Tremulant wird verlegt sowie sanfter gemacht und es wird eine Kalkantenglocke neu angebracht. Vermutlich stammen die klassizistisch geprägten Urnen zwischen den Pfeifentürmen über den Zimbelsternen auch aus dieser Zeit.

 

 

1917

Weil die Prospektpfeifen aus 90% Blei und 10% Zinn bestehen, unterliegen sie nicht der Beschlag-nahme durch das Kriegsministerium in Berlin.

 

 

1937

Einbau eines elektrischen Gebläses.

 

 

1946

Der Orgelpfleger Wolfgang Pahlitzsch (Emden) beschreibt in einem Gutachten den schlechten Zustand der Orgel und nennt erforderliche Maßnahmen. Dabei beklagt er besonders die Stimmschäden an den Pfeifen.

 

 

1947

Aufmessung der Orgel durch den Orgelbauer Rudolf von Beckerath (Hamburg) im Auftrag des Landeskirchenamtes Hannover. In seinem Bericht dokumentiert er detailliert ihre Maße (sehr wertvoll für die spätere Restaurierung von 2011/2012) und ihren baulich alarmierenden Zustand (die Windlade ist völlig aus dem Leim, Klaviaturbeläge fehlen zum Teil und die Mechanik ist gänzlich ausgespielt, die Köpfe der Trompete sind verwurmt).

 

 

1949

Gründliche Reparatur der Orgel durch Alfred Führer (Wilhelmshaven): dabei wird die Mechanik ausgetucht und gravierend umgebaut, die Pedaltasten erneuert, die Manualuntertasten mit verlängerten, hölzernen Belägen versehen und der Winddruck erniedrigt (auf 65mmWS, Beckerath misst noch 73mmWS). Außerdem wird die „vollständig unbrauchbare Trompete 8’ “ durch eine neue ersetzt (angeblich „genau nach der alten Trompete gearbeitet“, tatsächlich aber in moderner Bauweise und mit stark abweichenden Mensuren) – ein unersetzbarer Verlust für die sonst so vollständig erhaltene Orgel.

 

 

1952

Die Orgel wird am 18.12.1952 unter Denkmalschutz gestellt.

 

 

1959/60

Es entstehen starke Risse in der Windlade als Auswirkungen der neuen Warmluftheizung und des besonders heißen Sommers. Zunächst werden bedenkliche Notmaßnahmen durchgeführt, später dann eine fachmännische Reparatur durch Führer – aber mit dem Umbau der bis dahin noch angeschwänzten Ventile.

 

 

1972

Erneuerung des stark wurmgeschädigten Fußbodens der Orgelempore aus vier Zentimeter starkem Pitchpineholz, sowie des vollkommen vom Wurm zerfressenen Tonnengewölbes über der Orgel. Es wird außerdem eine Ansaugöffnung für das auf dem Dachboden untergebrachte Orgelgebläse verwendet.

 

 

1977

Die Windlade und Windkanäle werden durch die heizungsbedingte enorme Wärme und Trockenheit wiederum sehr undicht.

 

 

2004

Gründung der Hanna- und Carl-Siefkes-Stiftung zur Förderung der Kirchenmusik in Ostfriesland – vorzugsweise der Restaurierung der Orgel in Buttforde, wo das Ehepaar in der Zeit von 1953 bis 1961 als Organistin und Pastor wirkt.

 

 

2005/06

Für die durch die Stiftung finanzierbar gewordene Restaurierung der Orgel erstellt der Orgelrevisor Reinhard Ruge (Norden) den Rahmenplan.

 

 

2011/12

Es kommt zu der umfassenden Restaurierung der Buttforder Orgel nach denkmalpflegerischen Maßstäben durch Hendrik Ahrend (Leer-Loga).

Dabei wird eine gründliche Reparatur und Stabilisierung des Gehäuses durchgeführt. Außerdem erfolgt die Rekonstruktion der drei Keilbälge auf dem Dachboden mit Seilen zum Handbetrieb von der Empore aus, die Rekonstruktion der Trakturanlage mit Versetzung des Wellenbretts an die ursprüngliche Stelle sowie der Rückbau der Manualtasten und die Erneuerung der Pedalklaviatur nach alten Vorbildern. Auch durchgeführt wird eine Rekonstruktion des Tremulanten und sorgfältige Restaurierung des Pfeifenwerks mit Folierung der Prospektpfeifen und die Rekonstruktion der Trompete nach Beckeraths Angaben von 1947. Der Winddruck wird wieder auf die 1947 gemessenen 73mmWS erhöht, das Instrument behutsam nachintoniert und es erfolgt eine mitteltönige Einstimmung der Pfeifen nach der Vorgabe durch die zugelöteten Gedacktpfeifen.

 


(Stand 26.04.2022; Literatur und Quellen: Reinhard Ruge, Februar 2014)