Norden, Ludgerikirche

Orgel von Arp Schnitger (168688 und 1691/92)

Navigation: Am Markt 37, 26506 Norden

Die Norder Orgel in der Ludgerikirche ist das zweitgrößte noch erhaltene Werk Arp Schnitgers in Deutschland – für Ostfriesland zugleich die größte und bedeutendste historische Orgel. Durch die Restaurierung des dafür prädestinierten Orgelbauers Jürgen Ahrend gewinnt sie ihre ursprüngliche Klangschönheit und -vielfalt in beglückender Weise zurück, zu der auch der herrliche, seinerseits restaurierte mittelalterliche Kirchenraum mit der hölzernen Ausstattung der Renaissance und des Barock veredelnd beiträgt.

Der ungewöhnliche Standort der Orgel beim südöstlichen Vierungspfeiler erklärt sich aus den besonderen räumlichen Verhältnissen der Ludgerikirche, wo eine Aufstellung am Westende des Langschiffs nicht sinnvoll gewesen wäre. Durch Tiefersetzen und Erweitern der alten Orgelempore an der südlichen Chorwand bis ins Querschiff hinein erreicht Schnitger in genialer Weise, dass die Orgel nun in allen Teilen der Kirche gut zu hören ist und seither ihrer damals neuen Aufgabe, der Begleitung des Gemeindegesangs, voll gerecht werden kann.

Die Zusammenfassung des Pedalwerks in einem seitlichen Turm ergibt sich dabei zwangsläufig. Der Pedalturm steht im Querschiff, während die Manualwerke noch im Hochchor stehen, aber schräg in Richtung des nördlichen Querschiffs sprechen: das Rückpositiv in der Brüstung, Brustpositiv (nicht sichtbar) und Werck auf der Empore und das Oberpositiv ganz oben im Hintergrund an der Chorwand.

Zum Ansehen des Videoportraits (05:37 Min) bitte hier klicken.

Musikfilm: Praeludium d-moll Bux WV 140 von Dieterich Buxtehude.


Anm.:
originale Schreibweise der Register in der Einheit Fuß (’).
Anzahl der Pfeifenreihen gemischter Stimmen
in römischen Zahlen.

Disposition:

(46 / RP/HW/OW/BW/Ped)

Rückpositiv I

Werck II

Oberpositiv III

 

Principal

Gedact

Octav

Rohrfloit

Octav

Waldfloit

Ziffloit

Sexquialt

Tertian

Scharff

Dulcian

8

8

4

4

2

2

1

II

II

VI

8

 

P, r °

*

o

o

*

o

o

*

o

r

r

Principal

Quintadena

Rohrfloit

Octav

Spitzfloit

Quinta

Nasat

Octav

Gemshorn

Mixtur

Cimbel

Trommet

8

16

8

4

4

3

3

2

2

VI

III

16

 

P, r

*

*

*

r

r

r

*

o

r

r

r

Hollfloit

Octav

Flachfloit

Rauschpfeiff

Scharff

Trommet

Vox humana

Schalmey

8

4

2

II

IV–VI

8

8

4

 

H, o

o

o

r

r

r

r

r

 


Brustpositiv III


Pedal


(
Pedal)

 

Gedact

Blockfloit

Principal

Quinta

Scharf

Regal

8

4

2

11/2

IV

8

 

H, o

H, o

r

o

o

r

Principal

Octav

Octav

Rauschpfeiff

Mixtur

16

8

4

II

VIII

 

P, r °°

*

r

*

r

Posaune

Trommet

Trommet

Cornet

16

8

4

2

 

r

r

r

r

 


Pfeifenwerk:

 

°

°°

*

o

o

r

=

=

=

=

=

=

Principal 8

Principal 16


1616–1618 (1566/1567)

1686–1688

1691/1692

1981–1985

ab Fis

ab E


Edo Evers: Verwendung alter Pfeifen von Andreas de Mare

Arp Schnitger (W, Rp, Bp, Ped) (original)

Arp Schnitger (Op) (original)

Jürgen Ahrend (restauriert)

 


Technische Angaben:

 

Manualumfang:
Rückpositiv:

Werck, Op, Bp:
Pedalumfang:

Winddruck:

Tonhöhe:

Stimmung:

Koppeln:

 

Windladen:

Klaviaturen:

3 Keilbälge:

5 Sperrventile:

2 Tremulanten Rp, Op:

Cimbelsterne Rp:

Vogelgesang:

CDE – c'''

CDE – c''' (Fis und Gis als doppelte Obertasten)

CDEFGA – c'''

CDE – d'

71, 5mmWS

a' = 473 Hz (5/8Ton über 440 Hz)

modifiziert mitteltönig (1/5 Komma)

Schiebekoppel Bp, Op/W: r

 

o

r

r

r

r

o

r


Bau-/Restaurierungsgeschichte


♫♪


Vorgängerorgeln:

 

 

156667

Andreas de Mare (Groningen, Emden) baut eine neue Orgel mit Flügeltüren.

 

 

1568

Das Positiv (wohl die bisherige Orgel) wird verkauft.

 

 

161618

Edo Evers (Emden, Jever) baut eine neue Orgel mit 18 Stimmen (Grote Werck neun, Rückpositiv sechs, Brustpositiv drei, Pedal angehängt) und bemalten Flügeltüren.

 

 

165360

Lukas von Köningsmarck (Marienhafe) repariert und erweitert die Orgel ohne Erfolg.

 

 


♫♪


Die Arp-Schnitger-Orgel:

 

 

1686

Kontrakt mit Arp Schnitger (Hamburg) am 26.02.1686 über die Lieferung einer neuen Orgel mit 29 Stimmen (Oberwerk = Werck zwölf, Rückpositiv zehn, Pedal sieben) unter Wiederverwendung von zehn Stimmen und den vier Bälgen der alten Orgel.

 

 

1688

Abnahme der Orgel am 25.01.1688: Über den Kontrakt hinaus verfertigt Schnitger ein Brustpositiv mit sechs neuen Stimmen.

 

 

169192

Schnitger baut ein zusätzliches Oberpositiv mit acht Stimmen, das er an das Manual des Brustpositivs mit anhängt.

 

 


♫♪


Veränderungen und Umbauten:

 

 

1838

Stimmung der Orgel in gleichschwebender Temperatur (Rohlfs & Sohn, Esens).

 

 

1847

Dispositionsänderung durch Einbau neuer, dem Zeitgeschmack entsprechender Register unter Aufgabe von 20 Originalregistern (Rohlfs, Lorentz, Diepenbrock, Bruns).

 

 

1864

Neue Balganlage durch die Firma Gebr. Rohlfs (Esens).

Erneute Dispositionsänderung durch Einbau neuer, dem Zeitgeschmack entsprechender Register unter Aufgabe von 20 Originalregistern (Rohlfs, Lorentz, Diepenbrock, Bruns).

 

 

1887

Erneute Dispositionsänderung durch Einbau neuer, dem Zeitgeschmack entsprechender Register unter Aufgabe von 20 Originalregistern (Rohlfs, Lorentz, Diepenbrock, Bruns).

 

 

1888

Neue Klaviaturen, Koppelung und Winkelstücke (Johann Diepenbrock, Norden).

Erneute Dispositionsänderung durch Einbau neuer, dem Zeitgeschmack entsprechender Register unter Aufgabe von 20 Originalregistern (Rohlfs, Lorentz, Diepenbrock, Bruns).

 

 

1897

Umgestaltung der Mechanik, zwei neue Koppeln (Christof Bruns, Norden).

 

 

189096

Erneute Dispositionsänderung durch Einbau neuer, dem Zeitgeschmack entsprechender Register unter Aufgabe von 20 Originalregistern (Rohlfs, Lorentz, Diepenbrock, Bruns).

 

 

1901

Erneute Dispositionsänderung durch Einbau neuer, dem Zeitgeschmack entsprechender Register unter Aufgabe von 20 Originalregistern (Rohlfs, Lorentz, Diepenbrock, Bruns).

 

 

190810

Erneute Dispositionsänderung durch Einbau neuer, dem Zeitgeschmack entsprechender Register unter Aufgabe von 20 Originalregistern (Rohlfs, Lorentz, Diepenbrock, Bruns).

 

 

1915

60 neue Registerknöpfe (Christof Bruns, Norden).

 

 

1917

Ausbau der Prospektpfeifen (drei Register und stumme Pfeifen) und Ablieferung für die Kriegsrüstung (Chr. Bruns, Norden).

Erneute Dispositionsänderung durch Einbau neuer, dem Zeitgeschmack entsprechender Register unter Aufgabe von 20 Originalregistern (Rohlfs, Lorentz, Diepenbrock, Bruns).

 

 

1919

Einbau neuer Prospektpfeifen aus Zink (Furtwängler & Hammer, Hannover).

 

 


♫♪


Erste Restaurierungen mit weiteren Umbauten:

 

 

192930

Wiederherstellung der Orgel unter Beratung von Christhard Mahrenholz durch die Firma Furtwängler & Hammer: Wiederherstellung der ursprünglichen Disposition mit Schnitger-Mensuren aber neuen Fabrikpfeifen und unter Aufgabe der letzten beiden originalen Zungenregister, Erweiterung der Windstuben und -kanäle, teilweise Pneumatisierung der Traktur, pneumatische Erweiterung des Tonumfangs, neue Klaviaturen (jetzt vier Manuale, also ist das Oberpositiv vom Brustpositiv getrennt).

 

 

1948,

195759

Restaurierungsarbeiten durch Paul Ott (Göttingen) nach Auslagerung der Orgel im Zweiten Weltkrieg: dabei neue Zusatzladen, Ersatz der pneumatischen durch eine moderne mechanische Traktur, neue Klaviaturen und Veränderungen am Pfeifenwerk.

 

 

1960

In den 60er Jahren zunehmendes Auftreten erheblicher Schäden durch Austrocknen und Reißen des Holzes.

 

 


♫♪


Umfassende Restaurierung:

 

 

198185

Restaurierung nach denkmalpflegerischen Maßstäben durch Jürgen Ahrend (Leer-Loga). Dabei sind einige Teile der Orgel zu rekonstruieren: Balganlage (zunächst drei von insgesamt sechs Keilbälgen) mit Windkanälen, Tremulanten und Sperrventilen, ein Teil der Mechanik, Klaviaturen, Registergriffe und -beschriftungen, 25 Register einschließlich der Prospektpfeifen und die erweitert mitteltönige, in den gebräuchlichen Tonarten besonders reine Stimmung.



(Stand 22.05.2020; Literatur und Quellen: Reinhard Ruge)