Pogum, Ev.-luth. Kirche

Orgel von Johann Adam Berner (1758/59)

Navigation: Kirchring 4, 26844 Jemgum

Die im Jahr 1776 erbaute und am 21. Sonntag nach Trinitatis (27. Oktober) eingeweihte Pogumer Kirche birgt ein besonderes Kleinod, das bereits aus der Vorgängerkirche stammt: die Orgel von Johann Adam Berner. Das kleine Pogumer Instrument entsteht 1758/1759.

Gleich beim Betreten der Kirche fällt der Blick auf den schönen Orgelprospekt (die künstlerische, verzierte Vorderseite der Orgel), der sich direkt über dem Altartisch bis zur flachen Holzdecke hin erstreckt. Er enthält die vier Fuß langen Pfeifen des Prinzipalregisters und ist vielfältig gegliedert. Das in die Emporenbrüstung eingebaute und aus ihr herausragende Orgelwerk hat seinen Spieltisch an der rechten Seite und besitzt sechs Register (Pfeifenreihen), von denen nur noch drei von Johann Adam Berner stammen. Zu ihnen gehören die Prospektpfeifen, die der Ablieferung für Rüstungszwecke 1917 entgehen, weil statt ihrer die Becher des Trompetenregisters abgegeben werden. So bleibt das äußere Erscheinungsbild – „Prospekt“ genannt – vollständig erhalten.

Nach eingreifenden Veränderungen im 20. Jahrhundert führt die Orgelbauwerkstatt Martin ter Haseborg in den ersten Monaten von 1999 eine Restaurierung der Pogumer Orgel durch. Heute gehört das Instrument wieder zu den schönsten und wertvollsten historischen Orgeln Ostfrieslands.


Anm.:
originale Schreibweise der Register in der Einheit Fuß (’).
Anzahl der Pfeifenreihen gemischter Stimmen: z. B. 3fach (3f.).

Disposition:

(6 / I)

Manual

Technische Angaben:

 

Principal

Gedackt

Flöte

Oktave

Mixtur

Trompete

4

8

4

2

4f.

8

 

P, o

o

o

r

r

r *

Manualumfang:

Winddruck:

Tonhöhe:

Stimmung:

Klaviatur:

Windladen:

Balganlage:

Spieltisch, Traktur:

kein Pedal

CD – c'''

64mmWS

1/2Ton über normal

wohltemperiert

um einen 1/2Ton verschiebbar

o

r

r

Pfeifenwerk:

 

*

o

r

=

=

=

B/D

1758/1759

1999

Bass und Diskant


Johann Adam Berner (original)

Martin ter Haseborg (restauriert)


Bau-/Restaurierungsgeschichte

1758/59

Bau der Pogumer Orgel durch Johann Adam Berner mit sechs Registern und angehängtem Pedal. Der aus Osnabrück kommende Orgelbauer erbaut von 1750 bis 1756 die große, dreimanualige Orgel in der Stadtkirche zu Jever, die 1959 zusammen mit der Kirche abbrennt. Er vollendet 1757 die Orgel in Sillenstede und hilft anschließend seinem Schwiegervater Constabel beim Orgelbau in der Auricher Lambertikirche. Das kleine Pogumer Instrument entsteht 1758/1759.

Der Prospekt enthält die vier Fuß langen Pfeifen des Prinzipalregisters und ist vielfältig gegliedert. Die längsten Pfeifen bilden den Mittelturm, dem sich zu beiden Seiten schmale Flachfelder anschließen, gefolgt von den zweistöckig angeordneten Flachfeldern der kleinsten Pfeifen und ganz außen den trapezförmigen Türmen – eine Gliederung, die auf westfälische Vorbilder zurückgeht und sich später bei den Orgeln des in Wittmund ansässigen, ebenfalls aus Westfalen stammenden Meisters Hinrich Just Müller vielfach wiederfindet. Auch die Profilkränze, unterhalb der Pfeifen in einer Linie durchlaufend, oberhalb aber auf drei verschiedenen Ebenen stets wieder neu ansetzend, finden sich in ganz ähnlicher Form bei Müller wieder. Das in die Emporenbrüstung eingebaute und aus ihr herausragende Orgelwerk hat seinen Spieltisch an der rechten Seite.

 

 

1900

Es ergeht dem Orgelwerk um 1900 nicht besonders gut. Um die Jahrhundertwende fordert der Zeitgeschmack einen empfindlichen Eingriff in den Klangaufbau der Orgel. Die Mixtur, die mit ihren vier kleinen Pfeifenreihen dem ganzen Werk den silbrigen Glanz verleiht, wird durch eine romantische Streicherstimme – eine Gambe – ersetzt. Die übrigen Register werden durch viele Stiche an den Kernen der Pfeifen dem neuen Klangideal angepasst.

 

 

1917

Die Prospektpfeifen entgehen der Ablieferung für Rüstungszwecke. Statt ihrer gibt man die Becher des Trompetenregisters ab. So bleibt das äußere Erscheinungsbild vollständig erhalten.

 

 

1929/46

Größere Reparaturen werden (1929) durch die Firma Furtwängler & Hammer (Hannover) und (1946) durch Karl Puchar (Norden) vorgenommen.

 

 

1947

Der Orgelbaumeister Rudolf von Beckerath untersucht im Auftrag der Landeskirche die Orgel gründlich und beschreibt ausführlich ihren „jammervollen Zustand“ mit auseinanderfallenden Windladen, großen Windverlusten, ungenau gearbeiteter und größtenteils verbrauchter Mechanik. Zur klanglichen Situation schreibt er zusammenfassend: „Die Veränderungen an Intonation und Disposition sind so tiefgreifend, daß von einer denkmalswerten Orgel kaum noch gesprochen werden kann. Die Pfeifen sind zum Teil beschädigt und ausnahmslos durch Kernstiche verdorben.“

 

 

1960/61

Die von Beckerath geforderte „radikale Reparatur“ wird durch Alfred Führer (Wilhelmshaven) ausgeführt. Sie ist nach damaligem Zeugnis eine Rettung der Orgel in letzter Minute, nachdem diese „zuletzt nichts anderes mehr als ein Trümmerhaufen“ gewesen sein soll. Es wird sich damals allerdings noch nicht an die vorgefundene historische Bauweise gehalten. Stattdessen werden alle defekten Teile in zeitgemäßer, nach heutigen Maßstäben völlig unpassender Weise erneuert – sowohl bezüglich der Konstruktion (der Mechanik und der Windanlage), der Ästhetik (der Spieltischanlage) als auch des Materials (es wird beispielsweise Presspappe, Schaumgummi und Sperrholz statt Massivholz und Schafsleder verwendet).

Im klanglichen Bereich wird sich zwar bemüht, die Fehler der Vergangenheit zu tilgen, indem die so sehr beanstandeten Kernstiche geschlossen werden und die veränderte Disposition durch eine neue Mixtur und eine neue Trompete wiederherstellt wird, aber nun werden im Zusammenhang mit einem zu stark verringerten Winddruck die Oberlabien an den alten Pfeifen erniedrigt, was einen noch folgenschwereren Eingriff als die Kernstiche bedeutet. Die neuen Pfeifen werden außerdem nicht in der Art der alten gebaut, sondern mit zeitgemäßer Fabrikware, die klanglich nicht recht zu dem alten Bestand passt. Sogar das noch original erhaltene Register Octave 2 wird gegen Fabrikpfeifen ausgetauscht. Als Folge von baulichen Veränderungen an der Orgelempore (ihre Tiefe wird um drei Meter verringert, ihr Fußboden um 20 Zentimeter erhöht) ist kein Platz mehr für die alte Balganlage und die Pedalklaviatur vorhanden. So wird ein moderner Schwimmerbalg eingebaut und auf das Pedal ganz verzichtet.

 

 

1996

Es werden Anfang 1996 die Farbfassung des Orgelgehäuses durch die Restauratorwerkstatt Kummer (Pattensen) und die Zinnfolie der Prospektpfeifen durch die Orgelbauwerkstatt ter Haseborg (Südgeorgsfehn) restauriert. Damit erfolgt der Anstoß, auch das kostbare Orgelwerk selbst nach heutigen denkmalpflegerischen Maßstäben zu restaurieren. Dabei geht es um rekonstruktive Ergänzungen am Orgelgehäuse, Rekonstruktion der gesamten Spieltischanlage und Mechanik, Restaurierung der Windladen, Neubau der Balganlage (in historischer Bauweise, aber wegen Platzmagels reduziert auf einen Balg), Restaurierung aller alten Pfeifen und Rekonstruktion aller nicht mehr original erhaltenen Pfeifen (in Bernerscher Bauweise) und die Wiederherstellung des originalen Klangcharakters durch sorgfältige Intonation der Pfeifen auf dem Winddruck, für den sie ursprünglich gebaut sind.

 

 

1999

In den ersten Monaten von 1999 werden diese Arbeiten nun von der Orgelbauwerkstatt Martin ter Haseborg ausgeführt.

 

 

Heute

So rückt die Pogumer Orgel wieder in die Reihe der schönsten und wertvollsten historischen Orgeln Ostfrieslands auf. Von nun an kann sie wieder in der ursprünglichen Klangschönheit zur Ehre Gottes und zur Freude der Menschen in den gottesdienstlichen Veranstaltungen und Konzerten erklingen und wird dadurch so manchen Besucher mehr in die Kirche locken. Die Kirchengemeinde und auch die Orgelfachwelt sind zu diesem wieder im alten Glanze erstrahlenden und erklingenden Kleinod zu beglückwünschen.

 


(Stand 22.05.2020; Literatur und Quellen: Reinhard Ruge)